Zehn Gebote der Anfertigung von Zugbefehlen für Postspiele

(Michael Schröpl für Interzine '89.8', 1989-08-10)

  1. Identifikation
  2. Änderungszüge
  3. Zuordnung
  4. Lesbarkeit
  5. Papierverwendung
  1. Zugformat
  2. Zeitpunkt
  3. Planung
  4. Aufbau eines Rufes
  5. Die andere Seite

1. Identifikation

Kennzeichne Deinen Zugzettel mit einer eindeutigen Identifikation. Dazu gehören unbedingt

Es gibt tatsächlich Spielleiter, die mehrere Partien in einem Zine leiten, oder gar mehrere Partien in mehreren Zines, noch dazu mehrere Partien desselben Spiels, von denen es dann aber auch wieder mehrere Partien desselben Spiels mit verschiedenen Spielleitern in demselben Zine gibt.
Reduziere die babylonische Sprachverwirrung - Du reduzierst damit auch die Wahrscheinlichkeit dafür, daß Deine Partie ohne Deinen Zug ausgewertet wird.

2. Änderungszüge

Es kann durchaus vorkommen, daß Du zu der Erkenntnis kommst, Dein Zug sei nicht optimal. Ist dies vor ZAT der Fall, dann kannst Du einen Änderungszug einreichen. Versehe diesen Zug unbedingt mit der Aufschrift "Änderung"!
Ein vielbeschäftigter Spielleiter sortiert die Unmenge an eintreffenden Zügen in diverse Fächer ein und wird bei ZAT nur ungern anfangen zu erkunden, welcher Deiner beiden Züge denn nun verwendet werden soll. Und weshalb sollte der Spielleiter bei jedem eintreffenden Zug überprüfen, ob es ein Änderungszug ist, und das Original ggf. aus Dutzenden von Zetteln heraussuchen?

3. Zuordnung

Schreibe niemals Anweisungen für mehrere Partien auf denselben Zettel, auch dann nicht, wenn alle Partien von demselben Spielleiter ausgewertet werden. Selten wird der Spielleiter alle seine Partien gleichzeitig auswerten; dagegen wird er häufig zu Beginn einer Auswertung die Menge der ihm vorliegenden Züge für diese eine Partie bestimmen wollen. Also muß irgendjemand diese Zettel trennen - trifft diese Arbeit Deinen Spielleiter, dann wird dies seine Laune nicht gerade verbessern.
Falls mehrere Züge für Partien mit verschiedenen Spielleitern auf demselben Zettel nicht automatisch zu einem NMR in allen Partien führen sollten, kann dies nur auf eine unverdiente Laune des Schicksals zurückzuführen sein.

4. Lesbarkeit

Schreibe Deine Spielanweisungen deutlich und lesbar. Sollte sich Deine Handschrift hierfür nicht besonders gut eignen, empfiehlt sich die Verwendung einer Schreibmaschine oder eines Druckers - aber mit ein wenig Sorgfalt sollten in den meisten Fällen auch handschriftliche Züge ausreichen.
Es wäre bedauerlich, wenn Deine langwierigen strategischen Planungen vom Spielleiter mangels Lesbarkeit nicht nachvollzogen werden können. Dies zieht bestenfalls Standardzüge (United) und schlimmstenfalls Nichtanerkennung der Anweisungen (Diplomacy) nach sich, was beides weder dem Gleichgewicht der Partie noch Deinem Spielerfolg dienlich sein wird.

5. Papierverwendung

Beschreibe niemals einen Zugzettel auf der Vorder- und Rückseite mit spielrelevanten Informationen. Sonst wäre die gleichzeitige Sichtbarkeit aller Informationen für den Spielleiter während der Auswertung nicht gegeben, und damit würde ihm seine Arbeit unnötig erschwert.
Beim Trennen der Molekülschichten beider Papierseiten fallen außerdem oftmals sämtliche Schriftzeichen herunter, was die beabsichtigten Aktionen erheblich verfälschen kann.

6. Zugformat

Hat der Spielleiter ein Zugformat vorgegeben, dann halte Dich daran - er wird sich etwas dabei gedacht haben. Vielleicht hat er es sogar selbst erfunden!
Das Sichten und Sortieren von Zügen gerade bei Partien mit vielen Mitspielern erfordert bei einem einheitlichen Aussehen der Züge - gleiche Größe, identische Anordnung und Notation der Informationen - erheblich weniger Zeit als bei Kraut und Rüben, verschiedenen Größen und Darstellungsformen, und der Spielleiter muß die Züge ja auch noch gemäß der Regeln auf ihre Durchführbarkeit prüfen, die Wirkung dieser Befehle ermitteln, eine druckfertige Auswertung erstellen und die Züge ggf. archivieren, um auf Rückfragen reagieren zu können.

7. Zeitpunkt

Schreibe Deine Züge rechtzeitig. Zwischen dem Erscheinen der Auswertung und dem nächsten Zugabgabetermin liegen meist mehrere Wochen; besonders für regionale Abonnenten, die ihre Züge direkt bei ihrem Spielleiter abliefern können, ist die Zeit reichlich bemessen. Die Erfahrung zeigt jedoch, daß in Spielen mit einem längeren Abstand zwischen zwei ZATs die NMR-Rate nicht niedriger liegt als in schnelleren Spielen (vor allem, weil nachlässige Spieler glauben, sie hätten ja noch sooo viel Zeit ...). Bedenke, daß die Bundespost auch mal ihren schlechten Tag haben kann, jaja! Und ein Zug, der auch nur einen einzigen Tag zu spät ankommt, ist normalerweise völlig wertlos.
Übrigens: ZAT heißt normalerweise Zug-Ankunfts-Termin (beim Spielleiter), nicht Zug-Anfertigungs-Treiviertelstunde!

8. Planung

Kalkuliere genügend Zeit für Deine Postspiele ein - irgendwann wirst Du Dich mit der Zuganfertigung beschäftigen müssen, wenn auch der Zeitpunkt dafür in gewissen Grenzen flexibel gewählt werden kann. Beginne nicht Stunden, sondern Tage vor ZAT mit Deinen Überlegungen - einerseits hast Du selbst länger etwas von Deiner Partie, andererseits sind länger überlegte Züge meistens erfolgreicher als kurzfristig hingepfuschte, was Deinem Spielspaß sicher förderlich sein wird, und schließlich wirst Du unter Termindruck alle oben beschriebenen Forderungen nur erschwert einhalten können, was wiederum negative Folgen aller Art nach sich ziehen kann.
Falls Du in vielen Spielen spielst, dann errichte ein Schema, an welchen Tagen Du welche Züge anfertigen willst, und hake erledigte Züge auf einer entsprechenden Liste ab. So kannst Du verhindern, daß einzelne Partien einfach übersehen werden.
Sollte Deine Zeit dann immer noch nicht reichen, dann könnte es sein, daß Du an zu vielen Partien teilnimmst.

9. Aufbau eines Rufes

Postspiele sind keine völlig fremde Welt - bei ihnen gelten viele Gesetzmäßigkeiten Deines normalen Lebens. Insbesondere sind Spieler und Spielleiter Menschen, die auf der Basis beiderseitigen guten Willens gemeinsam an einem Postspiel teilnehmen. Dein Spielleiter, der sich normalerweise mit dem von ihm geleiteten Spiel einigermaßen auskennt, merkt ziemlich schnell, ob Fehler oder Unstimmigkeiten in Deinen Anweisungen auf Regelunkenntnis oder Schlamperei beruhen - wenn Du Dir Mühe gibst, wird Dir Dein Spielleiter in einem Notfall (z. B. wenn die Deutsche Bummelpost wieder erbarmunglos zugeschlagen hat) eher entgegenkommen (z. B. Dich vielleicht anrufen und fragen, wo denn Dein Zug bleibt, statt Dir ohne nachzudenken einen NMR aufzudrücken).
Nebenbei bemerkt: Spielleiter unterhalten sich auch manchmal untereinander über ihre Spieler ...

10. Die andere Seite

Bedenke, daß auch Dein Spielleiter nur 24 Stunden Zeit am Tag hat und einen Teil davon für Deinen Spielspaß verwendet - jede zusätzliche Minute der Zuordnung oder Entzifferung eines Zugzettels fehlt ihm, um das Aussehen der Auswertung durch Bilder, Kommentare, Tabellen oder Unterstreichungen zu verschönern oder gar selbst an Spielen teilnehmen zu können (und wer will schon immer nur für andere arbeiten?).
Stell Dir vor, Du selbst würdest eine Partie leiten - wie würdest Du Dir wohl die Züge Deiner Mitspieler wünschen?

Nachtrag

(Mike Merten für Interzine '89.9', 1989-09-11)

11. Absehbarer NMR

Wenn Dir klar wird, daß Du zu einem bestimmten Zugabgabetermin keine Züge einschicken kannst, weil Urlaub, Lehrgänge, Übungen, Prüfungen oder anderes dies verhindern, dann informiere Deinen Spielleiter frühzeitig. Am besten ist es natürlich, wenn Du bedingte (Rumpf-) Befehle abgibst, aber leider geht dies nicht in allen Spielen. Aber auch in den anderen ist es besser, wenn dem Spielleiter wenigstens eine Postkarte vorliegt, auf der steht, daß Du wegen xxx keine Züge abgeben kannst, als wenn er gar nichts von Dir hört. Dann nämlich verleidest Du ihm den Spaß an seiner Arbeit.

12. Ausstieg

Es kann vorkommen, daß Du aus einer laufenden Partie aussteigen mußt. Berufliche Änderungen und Ähnliches können so etwas leider notwendig machen. Es kommt dann aber darauf an, wie dies vonstatten geht. Wenn Du den Spielleiter frühzeitig informierst, dann hat er die Möglichkeit, sich auf diese Situation vorzubereiten. Es ist dann sogar möglich, daß für Dich in der betreffenden Partie sofort ein Ersatzspieler einspringt, daß also für das Spiel keine negativen Folgen entstehen. Wenn Du den Spielleiter aber erst dann informierst, wenn es soweit ist, daß er von Dir nichts mehr hören wird, dann besteht die Gefahr, daß die Partie darunter leidet. Und Deinem Ruf (9. Gebot) tut dies auch nicht gut.