Die Siegchancenberechnung von UNITED/XY

(Michael Schröpl für Interzine '95.04', 1995-04-17)

Einleitung

UNITED/XY berechnet zu jedem Ligaspiel die Wahrscheinlichkeiten, mit denen der Gastgeber das Spiel gewinnen, unentschieden spielen bzw. verlieren wird. Hierbei wird nicht nur eine einziger Wertegruppe berechnet, sondern - je nach Spielverlauf - bis zu 5 davon:

  1. Beide Teams ohne Härteeinsatz
  2. Der Gastgeber mit, der Gast ohne Härteeinsatz
  3. Der Gastgeber ohne, der Gast mit Härteeinsatz
  4. Beide Teams mit Härteeinsatz
  5. Beide Teams mit Härteeinsatz, aber nach Abzug von WP-Verlust durch Rote Karten

Da bei den Ausgabezeilen b) bis e) jeweils der Erwartungswert für negative Ereignisse so gut wie möglich (keine Platzverweise) berücksichtigt wird, kann man die Differenz zwischen Zeile a) und b) heranziehen, wenn man feststellen will, ob der Einsatz von Härte dem Gastgeber etwas gebracht hat. Die Differenz zwischen Zeile a) und c) sollte dieselbe Aussage für den Gast erbringen. Die Differenz zwischen Zeile a) und d) (bzw. a) und e), je nach Anschauungsweise) kann die Aussage liefern, welcher der beiden Vereine effizienter mit dem Einsatz von Härte umgegangen ist.

Bei der Berechnung der Wirkung von Härte für den Gast ist die Sache relativ unproblematisch. Der Gast hat eine regelkonforme Aufstellung ohne Härte abgeliefert und diese mit Härte ergänzt. Es ist zwar nicht automatisch korrekt, anzunehmen, daß der Gast auch ohne Härte 8 auf den Ausputzer das Abenteuer 7-6-16-16-48 unternommen hätte, aber gerade in einem solchen Fall kann man deutlich sehen, was Prügeln am rechten Platz ausmachen kann.

Heimvorteil

Anders sieht es beim Gastgeber aus. Der hat nämlich leider keine Aufstellung ohne Härte abgeliefert - jedenfalls keine, die unbedingt regelkonform sein mußte. Der typische Fall ist:

Beispiel:
10-10-15-15-45, Heimvorteil 0-1-6, Härte 2 auf V und Härte 1 auf M.

Summa summarum: 10-10-17-17-51 mit Härte 3, aber ohne Härte 10-10-15-16-51, was die 3:1-Regel bricht!

Was ist denn nun die Aufstellung des Gastgebers ohne Härteeinsatz? Da bieten sich verschiedene Möglichkeiten an, die der Sache mehr oder weniger gerecht werden:

Die drei Härtepunkte, die der Manager in V und M eingesetzt hat, stehen also eigentlich komplett im Sturm, denn sie machen de facto den Unterschied zwischen 17-17-48 und 17-17-51 aus. (Darauf muß man erst mal kommen! Nicht nur als Programmautor, sondern auch als ganz normaler Manager.)

Zuordnung

Macht die Vertauschung von HV- und Härtepunkten etwas aus?

In United3 wäre die Verteilung der WP auf die Reihen egal. d. h. Härte und HV sind dort komplett austauschbar, da der Einsatz von Härte auf einzelne Reihen keine besondere Wirkung auf diese Reihen hat, außer die Reihengesamtwertung zu ändern.

In OBERFOUL dagegen wird man die Härte

Wenn man zwei MS II 8 mit 0 bzw. 8 DP hat, kann man es also sehr wohl 'richtig' oder 'falsch' machen. Und noch dazu muß man sich ggf. zwischen Scylla und Charybdis entscheiden, wenn die beiden einzigen Verteidiger jeweils schon 8 DP haben, man wegen der Rot-Gefahr aber eigentlich nicht in der starken Reihe prügeln wollte ...

Anpassung

Und wie kommt man darauf?

Das ist leider nicht ganz einfach. Dabei ist der vorliegende Fall, obwohl er schon knifflig aussieht, noch gar nicht wirklich problematisch.

Wenn die 3:1-Regel in einer Aufstellung, aus der die Härtepunkte entfernt wurden, zwischen zwei Reihen bricht, dann muß das am Heimvorteil liegen. (Die Reihenwertungen aus Spielerstärken sind zu diesem Zeitpunkt ja längst von der 3:1-Regel überprüft worden.)

Findet man eine Verletzung der 3:1-Regel zwischen zwei Reihen, dann kann man einen HV-WP aus der zu starken in die zu schwache Reihe verschieben und die Prüfung so lange wiederholen, bis eine korrekte Aufstellung vorliegt. Im vorliegenden Fall funktioniert das tadellos:

  1. Die Verteidigung ist deutlich zu schwach, also zuerst:
    15-16-51, S stärker als 3*V -> 1 WP von S nach V.
  2. Jetzt muß ich raten:
    16-16-50, S stärker als 3*V -> 1 WP von S nach V.
  3. Jetzt ist nur noch M zu schwach:
    17-16-49, S stärker als 3*M -> 1 WP von S nach M.
  4. 17-17-48 erfüllt die 3:1-Regel -> fertig.

Wundersamerweise kommt bei meinem ersten Beispiel immer dasselbe Ergebnis heraus, egal, wie ich in Schritt b) rate, weil ich in c) auch die andere Reihe 'repariere'.

Der Schwachpunkt an diesem Verfahren ist, daß noch nicht definiert ist, was geschehen soll, wenn die 3:1-Regel zwischen allen drei Reihen bricht. Genau dieser Fall liegt hier bereits vor, aber ich habe einfach mal mit 'irgend einer' Reihe angefangen, nämlich mit der kleinsten.
Das muß ich auch, denn wenn ich genügend WP aus der stärksten in die schwächste Reihe verschoben habe, bricht das Verhältnis zur zweitschwächsten vielleicht nicht mehr:

Beispiel:
Bei 14-16-42 plus HV 1-0-7 (15-16-49) plus Härte 2-1-2 (17-17-51) sind zunächst V und M zu schwach; wird ein WP von S nach V verschoben, dann entsteht mit 16-16-48 aber eine regelkonforme Aufstellung ohne Härte.

Mehrdeutigkeit

Leider ist es im allgemeinen Fall nicht egal, wie ich rate:

Beispiel:
Die Aufstellung 30-30-10 plus HV 3-3-0 (33-33-10) und Härte 1 in S.

Irgend einer der vielen HV-Punkte muß offenbar in den Sturm, wenn man keine Härte einsetzt. Aber welcher? Jetzt gilt es, sich zwischen 33-32-11 und 32-33-11 zu entscheiden.
Und hierbei geht es ums Prinzip. Entscheidet man sich für 33-32-11, dann wurde der Härtepunkt in M eingesetzt, andernfalls in V, was bei der Bildung der Differenz zwischen Zeile a) und b) der anfangs erwähnten Hochrechnungen einen deutlichen Unterschied macht.
Es geht hierbei nicht nur um die drei möglichen Taktiken 3-3-1, 3-1-3 und 1-3-3, sondern auch um die Taktiken 1-1-3, 1-3-1 und 3-1-1, wie das folgende

Beispiel:
15-15-45 plus HV 1-1-4 (16-16-49) plus Härte 1-1-2 (17-17-51)

zeigt. Irgendwohin muß der eine überzählige Punkt aus S; ich muß mich allerdings entscheiden, ob ich ihn gegen einen Härtepunkt aus V oder aus M austauschen will.

In all diesen Fällen hilft es nichts, zu prüfen, ob der Härtepunkt in der schwachen Reihe, gegen den ich den HV-Punkt austausche, überhaupt vorhanden ist. Das ist er nämlich immer, es sei denn, die 3:1-Regel hat zugeschlagen und den Heimvorteil sowieso reduziert:

Beispiel:
15-15-45 plus HV 1-1-4 (16-16-49) plus Härte 0-1-2 (16-17-51)

Hier ist für den überzähligen HV-Punkt in S kein Austausch-Härtepunkt in V vorhanden, so daß die korrekte härtefreie Aufstellung 16-17-48 (plus Härte 0-0-3) sein muß.
Gerade deshalb muß die 3:1-Regel aber gebrochen sein, denn wenn sie nach HV bricht und nach HV plus Härte nicht mehr, dann muß das ja daran liegen, daß zum Ausgleich Härte in die schwache Reihe eingesetzt wurde.
In diesem Falle war der Härteeinsatz ziemlich schlecht, nämlich Härte 3 für 0 WP Effekt, denn die 16-17-48, auf die 16-17-51 letztlich reduziert wird, hätte ich ja auch ohne Härte haben können.

Entscheidung

Kann bzw. soll ich systematisch raten?
Ich versuche mal, mir die sechs Fälle anzusehen und zu überlegen, ob ich einer bestimmten Reihe den Vorzug geben will.

  1. 33-33-10 mit Härte 1 in S: Im Prinzip will ich lieber Punkte in V, die entweder eine ganze Torchance parieren oder eine Viertelchance bringen (Mittelwert 0.625) als Punkte in M (Mittelwert 0.5). Außerdem spiele ich ja letztlich defensiv - möglicherweise weil ich meiner eigenen Hintermannschaft wenig zutraue, was die defensive Wirkung der V-Punkte noch wertvoller macht.
    Also sollte ich meinen HV-Punkt für die Aufstellung ohne Härte aus M opfern (33-32-11) statt aus V (32-33-11), ich habe also letztlich in M geprügelt (M vor V).
  2. 33-10-33 mit Härte 1 in M: Im Prinzip bin ich gerade am Stürmen, auch wenn es etwas komisch aussieht. Das ist nämlich nur gegen 1-1-3 gut, wenn ich dem Gegner halbe Chancen aufdränge, um selbst ganze Chancen zu erhalten oder zu parieren.
    Hier traue ich also meiner Hintermannschaft, also opfere ich lieber einen V-Punkt (32-11-33) als einen S-Punkt (33-11-32), da ich ja Tore schießen will. Ich habe also in V geprügelt (V vor S).
  3. 10-33-33 mit Härte 1 in V: Da weiß ich leider gar nicht, warum ich das getan habe. 12-11-13-37-38 ist gut, weil ich Tore schießen will und der Gegner ungewöhnlich (nicht 'blind' alles in eine Reihe), aber sehr exakt dagegen raten muß; 6-0-17-45-44 ist gut, weil ich dem Gegner praktisch nur eine einzige Taktik lasse, mit der er selbst Tore schießen kann (dann allerdings 'beliebig viele').
    Wenn ich mit S wirklich selbst Tore schießen will, dann opfere ich lieber den M-Punkt; wenn ich mit beiden Reihen eher defensive Aufgaben erfüllen will, opfere ich lieber den S-Punkt.
  4. 10-10-31 mit Härte 1 in S: Klare Sache, ich will Tore schießen. Da stelle ich den S-Punkt des HV lieber nach M (10-11-30), wo er offensiv mehr bringt, als nach V (11-10-30), wo er defensiv mehr bringen würde. Ich habe also in V geprügelt (V vor M).
  5. 10-31-10 mit Härte 1 in M: Auch hier will ich Tore schießen. (Vor 1-1-3 beim Gegner habe ich anscheinend keine Angst.) Der überzählige HV-WP aus M wird in S (10-30-11) nicht viel taugen, weil er in den feindlichen Ausputzer 'hineinläuft', in V dagegen (11-30-10) hat er defensiv wie offensiv Chancen, etwas wert zu sein. Ich habe also in S geprügelt (S vor V).
  6. 31-10-10 mit Härte 1 in V: Wie im vorherigen Beispiel: In S (30-10-11) wird mein WP aus V nicht viel bringen, da stelle ich ihn lieber nach M (30-11-10). Ich habe also in S geprügelt (S vor M).

Das ergibt nun leider keine spektakulär einheitliche Tendenz, ganz abgesehen davon, daß meine Argumentationen natürlich auf ziemlich wackeligen Beinen stehen.
Klar ist nur, daß ich als Manager eine schwache S-Reihe normalerweise nicht mit Härte aufpumpen sollte, was ich mit dem Härtepunkt in den Fällen e) und f) aber gerade getan haben muß.

Prinzipiell kann ich die Fälle a)-c) und d)-f) in zwei Gruppen einteilen:

Lustigerweise sind die beiden Prioritätenlisten genau symmetrisch zueinander.

Daß S jeweils die größte 'Beharrung' seiner WP-Zahl hat, ist übrigens klar, weil man entweder so viel wie möglich WP in S steckt, um den Gegner trotz dessen Ausputzer plattzuschießen, oder so wenig wie möglich, um dem gegnerischen Ausputzer seine Feldspielerwirkung möglichst weitgehend zu verweigern. Das hat Vorrang vor allen anderen Reihen.
Die Sortierung von M gegen V liegt daran, daß ich bei einer starken S-Reihe eine offensive, bei einer schwachen S-Reihe eine defensive Aufstellung annehme, was das Wertverhältnis eines WP zwischen V und M gerade invertiert, weil beide ziemlich gleich viel wert sind.

Fazit

Mit mäßiger Begeisterung, aber dennoch im Glauben, etwas besseres als Würfeln gefunden zu haben, werde ich in UNITED/XY einbauen, daß die 'eigentliche' Aufstellung für die Zeilen a) und c) der Hochrechnung (Gastgeber ohne Härte) durch das in diesem Artikel beschriebene Verfahren erzeugt wird (einzelne WP umverteilen, bei Gleichstand zuerst M ändern, dann V und zuletzt S).

Dies mag letztlich nur für wenige Programmbenutzer von Interesse sein, nämlich für diejenigen Spielleiter, die in ihren Spielkommentaren gerne über den kontraproduktive Härteeinsatz ihrer Manager spotten. (Ich selbst bin einer davon.)

Für den normalen UNITED-Manager

Darüber hinaus jedoch enthält dieser Artikel ein paar allgemeine Anmerkungen über den Einsatz von Härte, die sich jeder United-Manager in einer ruhigen Stunde (am besten während seines nächsten Zuges, wenn er gerade Härte einsetzen will ...) zu Gemüte führen sollte.

Härte ist keineswegs spielentscheidend in United, gutes Management des Spielerkaders ist wesentlich wichtiger; allerdings erlaubt Härte nach dem OBERFOUL-Modell Entscheidungen, bei denen ein guter Manager einem weniger guten immer wieder

sein wird.

Aber auch United3-Manager sollten diesen Artikel nicht einfach abhaken. In United3 bestimmt man zwar nur,

aber auch darüber enthält dieser Artikel die eine oder andere Anmerkung, auch wenn er bewußt nicht als Lehrbuch formuliert war.

Völlig unter den Tisch gefallen ist ein Vergleich des Härteeinsatzes zwischen Feld- und Hintermannschafts-Reihen oder zwischen Härte und keiner Härte, was beides nicht das Thema war. Auch hierüber gibt es (z. B. von Gunthart Thamm) Aussagen, die sich ein United-Manager durchaus zu Gemüte führen sollte.