Leserbrief

(Hans-Gerd Klemme, GM im Spielblättchen)

Zwei Dinge im letzten United-Forum veranlassen mich, doch mal in die Tasten zu greifen, um Dir zu schreiben.

GM-Treffen in Essen

Du wunderst Dich, daß die Beteiligung so gering war, obwohl der Termin zwei Tage vorher feststand. Dabei scheinst Du von der irrigen Annahme auszugehen, daß alle United-GMs jeden Tag von morgens bis abends auf der Messe waren.

Ich hätte z. B. sehr gerne am besagten Treffen teilgenommen. Da ich jedoch am Samstag noch bis 12 Uhr arbeiten mußte, war ich erst so gegen 1430 Uhr in Essen. Als ich mehr oder weniger zufällig dann später den Zettel von Eurem Treffen entdeckte, war dieses bereits 2 Stunden in Gang ...

Ich fand die Beteiligung gar nicht so "gering" - ich war mir durchaus der Tatsache bewußt, daß etliche United-GMs überhaupt nicht den Weg nach Essen antreten würden.

Daß die Organisation des Treffens zwangsläufig erst in Essen einen konkreten Termin festlegen konnte, lag u. a. daran, daß ich nicht wußte, wann und wo ich eine größere Anzahl von Leuten an einem Ort in Essen zusammenbringen konnte, an dem man (umgeben von Streß und Lärm) ein solches Treffen unter vernünftigen Bedingungen abhalten konnte. Auch für das nächste Jahr will ich in dieser Hinsicht bestimmt nicht die Organisation eines solchen Treffens alleine machen - ich kann mich ja schließlich nicht vierteilen, und so ein bißchen Organisation könnte mir doch mal jemand abnehmen. In Essen hatte ich das diesmal schon versucht - was dazu führte, daß ich den Zettel am Schwarzen Brett schließlich doch selbst schreiben mußte. Bin ich denn Eure Mutter oder was? Es kann doch nicht angehen, daß Ihr Euch derartig von mir bevormunden lassen wollt - wie bequem das auch sein mag ...

'Inkrementelle' Auswertungs-Philosophie

Ich kann Dietmar in seinem Wunsch nur unterstützen, obwohl es mir letztlich egal ist, ob Du so etwas in das Programm aufnimmst oder nicht, da ich seit Beginn meiner GM-Tätigkeit vor über 4 Jahren mit einem eigenen Auswertungsprogramm arbeite.

Zunächst war dieses auch nur so konzipiert, daß sämtliche Aufstellungen erst zum ZAT in einem Rutsch eingegeben werden konnten. Doch als ich bald darauf auch noch Herausgeber des Spielblättchens wurde und weitere Spiele als GM übernahm, stellte sich bei mir ebenfalls der Wunsch ein, die Züge bereits dann zu verarbeiten, wenn die eintreffen.

Inzwischen habe ich das realisiert und bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Am ZAT genügt nun der Aufruf eines Programms, das die gespeicherten Aufstellungen des entsprechenden Spieltages lädt und auswertet. Ich schreibe zwar keine Einzelkommentare zu jedem Spiel - bei mir gibt es eine Rubrik "Ligen im Gespräch" -, so daß mich die Aufstellungen zum Zeitpunkt der Auswertung nicht interessieren, doch wäre es eine Kleinigkeit, sich die Aufstellungen der Mannschaften nochmals am Bildschirm zeigen zu lassen, wenn man einen Kommentar schreiben möchte ...

Ich jedenfalls finde die Verteilung der ganzen 'Eintipperei' - übrigens nicht nur der Aufstellungen, sondern auch GM-Angebot, NL und TFL - auf zwei Wochen vor dem ZAT optimal und möchte sie nicht mehr missen.

Wenn Du tatsächlich alle Züge komplett eingeben und dann das Programm anwerfen kannst, dann mußt Du ein paar Probleme gelöst haben, die mir sehr am Herzen liegen:

  1. Du mußt alle Auswertungsprobleme gelöst haben (auch die unlösbaren, siehe bedingte Befehle) - oder hast Du einfach alle Probleme verboten?
  2. Du mußte eine vollständige Beschreibungssprache für alle theoretisch denkbaren Ereignisse einer United-Auswertung definiert haben. Darauf warten wir schon lange!
  3. Du mußt es geschafft haben, alle Manager dazu zu bringen, diese Eingabesprache flüssig und weitgehend fehlerfrei in ihren Zügen zu verwenden - denn Du machst Dir doch sicher nicht die irrsinnige Arbeit, beliebige Züge in Deine Sprache zu übersetzen? Das dauert nämlich doppelt so lang wie meine Auswertung in einem Rutsch ...

Derartig gewaltige Fortschritte in der United-Forschung erfordern natürlich eine eigene Artikelserie - kann ich für das nächste Heft ... Spaß beiseite, und verzeihe mir meinen sarkastischen Unterton, aber die genannten Probleme (vor allem Nummer Drei) haben mich bisher davon abgehalten, über ein derartiges Auswerteprogramm überhaupt ernsthaft nachzudenken. Möglichkeiten wie Raimund Lingen, der seinen Managern individuelle Befehlsbögen mit allen Daten zuschickt und der demzufolge verlangen kann, daß codierte Züge abgegeben werden, hat nicht jeder GM (und was passiert dann bei einem fehlerhaften Zug?)

Schon allein die Definition einer solchen vollständigen Beschreibungssprache treibt mir den Schweiß auf die Stirn; dazu müßte man dann einen Parser schreiben, der diese Sprache korrekt analysiert und in Transaktionen umsetzt. Das ist eine ähnliche Aufgabe wie der Entwurf eines normalen Hochsprachen-Compilers! Denn das Programm soll ja wohl nicht 200 Zeilen Eingabedaten lesen - die Menge dürfte hinkommen, oder? - und dann mit der Meldung abbrechen, in Zeile 4 fehle ein Komma, und man möge das erst einmal korrigieren, bevor die Analyse erneut beginnen könnte.

Bei der Dialog-Eingabe kann ich mir einen Haufen Analyse sparen, weil der (halbwegs intelligente) Benutzer dort sehr wohl eine Eingabefolge "a return b return c d e return f g h i return j k return" für eine 3-4-2-Rasenschach-Aufstellung vornehmen kann, weil er zur Kontrolle die Werte aller Spieler vor sich sieht.
Zugegeben: Dasselbe Programm könnte diese Aufstellung zwischenspeichern und später auswerten.

Die grundsätzlichen Probleme eines inkrementellen Auswerteprogramms stecken aber gerade in den Fällen, die bei einer Auswertung 'am Stück' gar nicht auftreten können. Ein Manager könnte einen Spieler aufstellen wollen, den er vor den Spielen privat kaufen will. Ich als GM werte die Phasen einzeln aus - und wenn ich die Aufstellung eingebe, dann sehe ich ja, ob der Spieler da ist oder nicht. Was dagegen machst Du? Du kannst einen noch nicht existierenden Spieler zu Beginn der Runde ja nicht einmal mit einem Kennbuchstaben des Mannschaftskaders oder sonst irgendwie bezeichnen!? Ähnliche Probleme treten an allen Ecken und Enden auf, wenn Ereignisse bedingt auszuwerten sind - und, wie ich bereits früher angeführt hatte, kann eine Bedingung für den GM unsichtbar formuliert sein, z. B. der Verkauf des 11. Spielers an die NL, wenn zuvor ein 12. Spieler vom GM-Angebot gekauft wurde. Ein 'netter' Manager mag den GM auf so etwas hinweisen - andererseits: "Ich weiß doch, daß der Verkauf nur dann geht, wenn ich meinen neuen Spieler bekommen habe, der GM wird dies bestimmt auch merken."

Die 'inkrementelle Auswertungsphilosophie' erzwingt es, daß ein GM entweder ein Programm überhaupt nicht verwenden kann (und demzufolge pro Auswertung Dutzende von Fehlern in Kauf nehmen muß! Es sage mir keiner, das stimme nicht - es weiß bloß keiner, weil kein Programm ihn kontrolliert!) oder den Managern nur eine (kleine) Teilmenge von United zur Verfügung stellen kann, nämlich diejenigen Aktionen, die er in seiner Beschreibungssprache berücksichtigt hat.
Ein typischer kritischer Punkt sind bedingte Befehle, aber auch Versteigerungen. Ich mag einfach nicht 7 Gebote von 36 Managern eintippen (wer sagte da "Datentypist", ey?), um das Programm 7 Spieler versteigern zu lassen - das schaffe ich mit 36 Zetteln mühelos (und viel schneller) per Hand. Das Programm ist dazu da, daß ich mit zwei Tastendrücken den Käufer anwählen kann, den Namen des Spielers eingeben und den Spieler dann 'kaufen' lassen kann - 'kaufen' kostet einen 'manuellen' GM nämlich einen Haufen Arbeit. Darunter fallen so doofe Dinge wie nachzählen, daß der Verein nicht das 7. Talent oder den 21. Spieler gekauft hat. Bei 'Verkaufen' gibt es ähnliche Dinge zu berücksichtigen. Ein routinierter GM wird das natürlich aus dem Kopf können; aber erstens kann man dabei was übersehen (das Programm kann das nicht), und zweitens sind die Anforderungen, die hier zu berücksichtigen sind, eventuell von Ligasystem zu Ligasystem unterschiedlich (z. B. zwischen United3 und Oberfoul), so daß man als nebenbei auch aktiver Manager schon mal was verwechseln kann.

Immer mehr habe ich den Eindruck, daß ein 'inkrementeller' GM mit Programmunterstützung eine komplette Auswertung 'programmieren' und, wie bei jeder Programmentwicklung, die Fehler in seiner Eingabe nach und nach als solche erkennen und beseitigen muß. Eigentlich bin ja ich derjenige, der eine Auswertung inkrementell, nämlich Phase für Phase, vornimmt - ich kann auf Ereignisse vorheriger Phasen direkt reagieren, während ein GM wie Hans-Gert jede denkbare Katastrophe vorhersehen muß.

Es gibt ftf-'Spiele', die für die 'pbm-Variante' denkbar ungeeignet sind aus eben diesem Grunde; ich habe stark den Eindruck, daß die inkrementelle Auswertung von United darauf hinausläuft, das Spiel 'United-GMing' in einem postalischen Modus zu spielen! Man hat dann eben mehrere Wochen Zeit für seinen 'Zug' - dementsprechend kompliziert ist er dann aber auch. Ich habe mich dafür entschieden, mein GMing 'ftf' zu 'spielen' - das macht mir auch am meisten Spaß, weil ich dabei geballt Informationen über alle Teams vor mir habe und einzelne Ereignisse am besten in ihrer Wirkung auf das gesamte Ligasystem beobachten kann.

P.S.: Ist Dir übrigens bekannt, daß im holländischen Zine Domino Principle in unregelmäßigen Abständen auch United-Probleme analysiert werden?

Nein - in welcher Sprache?