Leserbrief

(Christian Goetze)

Hallo Michael,

Du wolltest doch mal hören, warum Leute United spielen und so ... Nun möchte ich mal versuchen, darzulegen, warum United ein Spiel ist, für das sich der Aufwand, der getrieben wird, eigentlich nicht (mehr) lohnt.

Zuerst möchte ich zusammenfassen, was wir im United-Forum schon an Erkenntnissen gewonnen haben:

Worauf ich hinaus will, ist, daß wir kurz davor stehen, ein Computerprogramm zu schreiben, das United spielen kann (endlich eine NMR-Regel!).

Als NMR-Regel würde ich ein solches Programm übrigens tatsächlich verwenden, falls ich es hätte und die Datendarstellung UNITED/ST-kompatibel wäre (sonst wäre der Aufwand für die Datenhaltung zu hoch). Für manch einen GM (siehe die Regeln von Rick's Cafe!) wäre dies jedoch eine ungewünschte Belohnung eines NMRlers.

Ja, ich kann mir sehr gut eine United-Liga aus lauter Anfängern vorstellen, in denen Dein Programm sofort und mühelos dominieren könnte (allein eine ordentliche RWP-Berechnung in der 1. Saison, wenn die Gegner sich hinrichten, kann langfristig Wunder bewirken!).

Man schenke mir 1 Jahr Zeit, und ich nehme jede Wette an, daß dieses Programm einen Verein so führen kann, daß es keinem Manager auffallen wird, daß ein Computer am Werk ist.

Selbstverständlich würde ich bei Deiner Wette nicht dagegenhalten. Ich kenne in meinem laufenden Ligasystem mehrere Manager, die 'schlechter' United spielen als der FC Stan Dard. Kein Wunder, 'Stan' hat ja auch wesentlich mehr Erfahrung. Dein sehr viel detaillierter ausgetüfteltes Programm würde also nicht nur nicht auffallen, es würde den Verein durchaus in einer oberen Liga halten können (vermutlich aber nicht in der 1. Liga).

Die Konsequenz aus diesen Überlegungen ist, daß es für United eine optimale Strategie zu geben scheint und daß die größte Schwierigkeit beim United-Spielen darin besteht, dies einzusehen. Da grübeln die Manager stundenlang über einer Aufstellung und sehen nicht, daß dies verlorene Zeit ist - ein Würfelwurf genügt. Oder da wird beim GM-Angebot gezittert, dabei kann man sich sein Gebot doch ausrechnen (RWP). Wenn dann einer mehr bietet, hat er sich entweder hingerichtet (Glück?) oder er braucht den Spieler tatsächlich dringender (Pech!).

Der "enorme Aufwand", den United mit sich bringen soll, ist inzwischen relativ klein geworden. Mit TEAMCHEF/XY mache ich einen United-Zug in kaum einer Viertelstunde, wobei ich praktisch die volle Zeit zum Nachdenken über Taktik und Gebote habe (Verwaltung und Zug-Ausdruck macht das Programm). Ich schreibe keine Gegner mit, versuche aber, sinnvolle Mehrfachqualifikationen zu erzeugen und die 3:1-Regel fast immer optimal auszunutzen.

Die einzige sinnvolle Art, Zeit in United zu investieren, ist es, alle Spieler und Spiele aller Vereine zu erfassen, um wie oben geschildert die 'Lieblingstaktik' des Gegners zu finden - eine sehr monotone Arbeit, die deswegen kaum einer macht (außer einem Computerprogramm!), und die wegen des allfälligen Rauschens des Glücks nur über mehrere Saisons hinweg belohnt wird.

(Nachträgliche Anmerkung: Ein solches Programm zur manuellen Erfassung gegnerischer Aktionen ist später wirklich geschrieben und erfolgreich eingesetzt worden.)

Wenn ich den 'Skandal' um die Sing-Sing Allstars richtig verstehe, dann wird doch nach der Schließung der Regellücken und nach Abschaffung der Bargeldmodelle dem Manager die letzte Möglichkeit geraubt, dem erzwungenen Konformismus zu entfliehen.

Noch ist Sing-Sing nicht verboten (ich wüßte auch kaum, wie das gehen soll), und Bargeldmodelle werden hauptsächlich deshalb bekämpft, weil sie alle Manager dazu zwingen, dasselbe zu tun, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Extreme Strategien sind also immer noch möglich. Wenn man sich allein mal ansieht, wie Gunthart Thamm es in Oberfoul praktisch jede Saison hinkriegt, in Runde 1 für einen X I 10 einen X II 8 plus einen X I 7 anzubieten, das ist auf die Dauer kaum zu glauben. Irgendwie schafft er es aber - und es scheint gut zu sein, wenn man sich seinen immer noch enormen Handelswert betrachtet ...

Das Eliminieren von extremen Strategien führt dazu, daß United zu dem wird, was die meisten Manager sich darunter vorstellen, nämlich ein Sportsimulations- und Wirtschaftsspiel.

Es kann bestimmt noch einiges über die Härte gesagt werden, mit der die Abweichung von der 'strengen Lehre' bestraft wird. Unter diesen Gesichtspunkten ist es verständlich, warum manche Manager am United3 mit allen 'Mängeln' hängen ...

Hm - diese Argumentation ließe sich so interpretieren, daß United generell öde sei und daß der einzige Spaß darin bestehen würde, gegen den Spielleiter zu spielen statt gegen die Manager. Das kann's aber nicht sein ...

Ein gutes Haar sollte man United doch noch lassen: Es ist spannend. Genauso wie die Ziehung der Lottozahlen spannend ist. Man weiß einfach nie genau, was der Würfel sagen wird ...

Frohgemut habe ich in den Baden-News eine Mannschaft aufgebaut, und nach 6 Runden, in denen ich mich durchaus engagiert habe (u. a. drei private Handel) habe ich stolze 12:12 Punkte eingespielt - mehr nicht. Die Spielkommentare lassen auf etwas Pech schließen, ich habe aber auch schon mehrfach schlecht geraten und verdient verloren. Einmal habe ich sogar aus Versehen nur 10 Spieler aufgestellt (inzwischen warnt TEAMCHEF/XY einen Manager davor) ... Dennoch ist alles drin (nur zwei Zähler Rückstand auf Platz 3), und die Saison bleibt einfach spannend.

Natürlich hatte ich im Stillen gehofft, ein paar Anfänger plattwalzen zu können, aber nun, da sich die Gegner durchaus wehren, macht mir die Sache nicht weniger Spaß.

United enthält noch eine ganze Menge Feinheiten, die Anlaß für weitere Artikel und Diskussionen sein werden. Natürlich hast Du recht, Dein Programm würde in dieser Hinsicht immer besser. Aber was hat man von einem Programm, das schließlich alleine spielt? Wiewohl ich in Golf bei der Entwicklung der Programme zur Erwartungswert-Berechnung heftig mitgezogen habe, war die Erstellung des Programms wesentlich lustiger als sein Einsatz (ich spiele auch schon längst kein Golf mehr). Am meisten hat es mir aber Spaß gemacht, ein Szenario für Caddie auszuarbeiten, das gerade für die Programmbenutzer eine Fallschlinge nach der anderen enthielt. Um dies überhaupt machen zu können, mußte ich hinreichend viel Ahnung über Golf-Berechnungen besitzen - aus diesem Grunde rate ich auch immer wieder jedem United-GM, sich auch mit Regelfacetten zu befassen, die nicht auf der Tagesordnung seines Ligasystems stehen.

Fazit: Totgesagte leben länger! Je heftiger Du behauptest, Dein Programm könne perfekt (oder auch nur gut) United spielen, um so mehr werden kreative GMs neue Ideen erfinden. Meine Aufgabe sehe ich darin, zwischen beiden Extremen zu stehen und jeder Gruppe die Sprache der anderen Gruppe zu vermitteln. Und außerdem habe ich meinen Spaß dran ...