Leserbrief

(Christian Hennig)

Beim Lesen der letzten, reichhaltigen Ausgabe des United-Forums sind mir einige Dinge eingefallen, die ich hier zum besten geben möchte.

Aufstellungen

Die Aufstellungstheorie steckt noch in den Kinderschuhen.

Natürlich sind die Modelle, mit denen ich hier meine Berechnungen anstelle, grobe Vereinfachungen der Realität. Würde man tatsächlich alle Eventualitäten berücksichtigen wollen, dann würde der Schreiber von der Masse der Daten, der Leser von der Masse der Seiten erschlagen.

Außerdem lassen sich auch konkrete beliebig detaillierte Fragen nicht mehr sinnvoll spezifizieren, wie der Artikel von Stephan Valkyser ganz gut gezeigt hat: Aus den vier reinen Strategien ließ sich eine gemischte optimierte Strategie berechnen, die aber nur einen Gleichstand erzielen konnte, was in der Realität oft zuwenig sein wird. Für bessere Ergebnisse brauchen wir konkretere Modellbeschreibungen, und an die will ich mich erst langsam heran arbeiten, damit mehr als eine Handvoll Leser etwas davon hat.

Das Rechnen mit 130-WP-Teams mag ja einfach sein, aber ist es nicht so, daß wir insgesamt bemüht sind, die WP-Schwemme und damit die Verbreitung von gerade solchen Teams zu verhindern?

Meine Vorgehensweise ist aber anders herum: Ich möchte zunächst einmal herausfinden, welche Effekte bei welchen WP-Zahlen nachweisbar sind, und mir erst dann eine Meinung darüber bilden, ob 130-WP-Teams schlecht für den Spielmechanismus sind - und nicht anders herum.

Abgesehen davon habe ich bisher noch nie ein 130-WP-Team gehabt und wahrscheinlich auch erst höchstens einmal gegen ein solches gespielt. Woher also die Annahme, daß solche Teams "typisch" sind?

Die sogenannten "typischen" 130-WP-Teams bestechen durch die Teilbarkeit aller Werte durch 10 - viele Aussagen darüber lassen sich ohne Taschenrechner im Kopf schnell nachrechnen, was das Lesen stark vereinfacht.

Natürlich tauchen dieselben Teams mit lauter Spielern der Stufe 8 in der Realität öfter auf - hierzu mehr in diesem Heft.

Außerdem wird meistens angenommen, daß die Gegner gleich stark sind (Michael berücksichtigt immerhin Heimvorteil). Wo gibt es denn das schon mal? Natürlich ist auch das viel einfacher für die Berechnungen, aber welche Bedeutung haben diese Überlegungen dann für das wirkliche Leben?

Das kommt alles noch - in späteren Heften.

Nun will ich hier weder die Autoren der Ausgabe 10 herunterputzen, noch selber mit einer solchen Theorie aufwarten (keine Zeit bzw. keine Programme, um einiges auszuprobieren), aber ein paar Dinge, die ich gerne mal nachgerechnet sähe, will ich nennen:

  1. Theorie: Unter der Annahme, daß ein Team ca. 5-10 Punkte stärker ist als ein anderes, empfiehlt sich eher Rasenschach / Mauern, da man damit gegen alle Gegentaktiken gute Chancen hat, bei Unterlegenheit ist eher zu den Harakiri-Taktiken Walze, Volle Kanne oder sogar Blind Mauern zu raten, evtl. sogar mit Ausputzer im Feld, da man jeweils eine Taktik auseinandernehmen kann.
  2. Wer kennt nicht das Problem, aufgrund der "mindestens zwei Spieler pro Reihe" keine konsequente Aufstellung zusammen zu bekommen, weil die verfügbaren Spielerstärken gerade nicht passen? Beispiel: Nach eingehender Würdigung meines Gegners möchte ich ihn mit Rasenschach niederschachern. Aber oh Graus: Ich muß dabei mindestens S10 und S6 in den Sturm stellen, will ich nicht durch Fremdreiheneinsätze oder untrainierte Talente 5 WP auf dem Platz verlieren. Es kommt 8-8-26-35-16 oder etwas ähnlich Verheerendes heraus und ich gewinne weder gegen 8-8-14-42-14 noch gegen 8-8-15-15-44 einen Blumentopf, obwohl beides WP-schwächer wäre. Hier ist die Lage klar: Finger weg vom Rasenschach! Aber was, wenn es weniger extrem aussieht? Wieviel schwächer ist 25-35-15 als 23-39-13? Oder 15-18-42 als 15-15-45? Diese Dinge interessieren mich im 'wirklichen Leben'! Zahlenspieler vor!

    Zu Deinen konkreten Aufstellungen: Die Anzahl der Torchancen gegeneinander bzw. gegen die vermutete Aufstellung des Gegners und damit den Grad der 'Schwächung' kannst Du ja selber ausrechnen, die Umrechnung in S/U/N-Wahrscheinlichkeiten ist ohne Programm schon etwas lästiger. Daher hier als Beispiel die gewünschten Zahlen (um ein Gefühl für die Größenordnung zu liefern):

    • 8-8-26-35-16(109) gegen 8-8-14-42-14(102) = 3:4 Chancen = 24.371% / 38.195% / 37.434%.
      Das schwächere (Auswärts-)Team hat optimal geraten, rundet extrem gut (drei weitere WP für 8-8-15-15-43 wären völlig nutzlos!) und ist damit insgesamt knapp überlegen.
    • 8-8-26-35-16(109) gegen 8-8-15-15-44(106) = 10:10 Chancen = 38.810% / 22.380% / 38.810%.
      Durch die mangelnde Ausnutzung der 3:1-Regel bleibt der kleine Stärkevorteil ohne Wirkung - von "keinen Blumentopf gewinnen" kann aber keine Rede sein.
    • 8-8-25-35-15(107) gegen 8-8-23-39-13(107) = 3:4 Chancen = 24.371% / 38.195% / 37.434%.
      Die Zahlen hatten wir oben schon mal - der Gegner mit der besseren 3:1-Ausnutzung hat genau einen Schuß mehr.
    • 8-8-15-18-42(107) gegen 8-8-15-15-45(107) = 21:22 Chancen = 39.437% / 15.185% / 45.378%.
      Hier macht die eine zusätzliche Torchance schon viel weniger aus, trotz der auf beiden Seiten schwachen Hintermannschaft.

    Unterschiede in der genannten Größenordnung 'reißen' kein Spiel - über eine gesamte Saison hinweg addieren sich die kleinen Vor- bzw. Nachteile vielleicht mal zu dem einen oder anderem Punkt.

Anmerkungen zum "Experiment"

Bei der Härteauswirkung im "United ohne Würfel" wird obiger Effekt (Ausnutzung der 3:1-Regel) nicht berücksichtigt. Wenn ich immer mit Härte spiele, habe ich durch Punktaddition und Subtraktion gleich zwei Möglichkeiten, 'Unebenheiten' a la 25-35-15 auszubügeln. Schon bei möglichem Abzug von 3 WP aus einer beliebigen Reihe taucht das Problem der zwei zu starken Spieler praktisch überhaupt nicht mehr auf.

Anders formuliert: Freie WP-Addition auf die stärkste Reihe verbessert das Team extrem, freiwilliger Abzug aus der schwächsten Reihe ändert wenig. Wird das wirklich durch Elfmeter fair ausgeglichen?

"fair" ist dabei nicht der richtige Begriff. Vielleicht ist es in dieser Variante einfach sehr gut, Härte einzusetzen - das zu erkennen wäre dann eine Leistung des jeweiligen Managers.

Anmerkungen zur Berechnung der Ligatabelle

Nicht die DFB-Berechnung, sondern die englische 3-1-Punktemethode fördert wirklich offensives Spiel.

Warum willst Du exaktes Erraten des Gegners, so schief das durch verwürfelte Ergebnisse in den vorherigen Spielen gehen kann, besser bewerten als Aufstellungen mit vielen Chancen auf beiden Seiten, die sich einen großen statistischen Vorteil herausspielen?

Weil das Erraten eine Leistung des Managers ist, das bessere Würfeln nicht - und weil gerade dann, wenn beide Teams stürmen, eine Punkteteilung am unwahrscheinlichsten ist, aber in den meisten Fällen eben gerade keines der beiden Teams einen großen statistischen Vorteil herausgespielt hat. Das wird nämlich mit zunehmender Chancenzahl immer schwieriger.

Ich meine: Nicht dadurch, daß mehr gewürfelt wird, ist automatisch mehr Glück im Spiel. Bei einem Chancenverhältnis von 3:1 ist eben jeder einzelne Würfelwurf wichtiger. Na und?

Darum geht es doch auch gar nicht.

Es wird mehr gewürfelt, wenn die Siegchancenverteilung automatisch nur noch irgendwo zwischen 30% / 20% / 50% und 50% / 20% / 30% liegen kann (beides typische Werte für Sturm gegen Sturm oder Sturm gegen Mittelfeld, wo jeweils oftmals der Schwächere gewinnt), als wenn beispielsweise auch Verteilungen wie 40% / 60% / 0% vorliegen können (typischer Wert für starkes Rasenschach gegen Mittelfeld, beide Manager haben ihre Möglichkeiten optimal ausgenutzt), wo schon mal nicht mehr der 'Falsche' gewinnen kann. Dies garantieren zu können, möchte ich nicht damit bestrafen, daß ein Unentschieden gegenüber einem Sieg abgewertet wird - genau das bewirkt aber die 3-Punkte-Regel.

Antiturnited

Eine Idee zum Turnierfußball, die ich im ZONG mal verwirklichen werde, wenn ich Zeit habe (ich habe aber nix dagegen, wenn jemand anderes das vor mir probiert, aber die Auswertung sähe ich schon gerne): Es gewinnt das schlechteste Team.

Ich weiß es klingt blöd, aber versucht mal, bei fester WP-Zahl effektiv auf Verlust aufzustellen. Das ist genauso verzwickt wie richtiges Turnited.

Eine Anekdote hierzu: In meinem Regionalturnier wurde das Spiel um den letzten Platz per Absprache auf Verlust gespielt. Thorsten Wald war dabei mit derselben Taktik (hinten offenes, blindes Mauern) erfolgreich, mit der er im vorherigen Spiel auswärts auf Sieg (bzw. höchstens 1-Tor-Niederlage) gespielt hatte.

Flächösi

Sollte Andre Bronswyk die Daten freigeben, kannst Du, Michael, von mir aus mit den Daten meines Teams 'Stalinist Gulag' öffentlich machen, was Du willst.