GM-Willkür

(Christian Hennig)

Inspiriert zu diesem Artikel hat mich der Artikel über zu hohe HV/Härte-Zuteilung aus dem letzten Forum.

Mein Vorschlag:

"Im Falle nicht regelkonformer Aufstellungen versucht der GM durch möglichst geringe Änderungen eine regelkonforme Aufstellung zu erreichen."

Zugegeben: Besonders neu ist das nicht. Was aber spricht eigentlich dagegen?

Der Einwand aus dem letzten Forum lautet: "Der GM kennt zu diesem Zeitpunkt vielleicht schon die Aufstellung des Gegners." Dieses Argument ist m. E. keines. Abgesehen davon, daß ich bei der Aufstellungskorrektur eigentlich nie Aufstellungen anderer Teams im Kopf habe (wozu auch?), was für ein Problem gäbe es, wenn es anders wäre?

Aufstellungskorrektur soll vor allem schnell gehen, und da mache ich mir doch nicht extra Gedanken darüber, wem das jetzt in diesem konkreten Spiel nützt oder schadet. Wenn ich ein Spiel vermauscheln wollte, hätte ich dafür effektivere und unauffälligere Verfahren als das Verstümmeln unkorrekter Aufstellungen. Allgemein: Wer seinem GM keine 10 cm über den Weg traut, sollte sich einen anderen suchen.

Du hast mein Problem nicht verstanden.

Wir haben den 22. Spieltag, und das entscheidende Spiel ums Überleben zwischen zwei Abstiegs- und Auflösungkandidaten steht an. Ich als GM weiß schon Wochen vorher, daß es dort um alles geht und warte gespannt auf die eintreffenden Aufstellungen.

Das Team mit der deutlich besseren Hintermannschaft von diesen beiden Vereinen hat beschlossen, voll zu stürmen - seinen Zug habe ich schon. Jetzt kommt es darauf an, ob der Gegner auf eigenem Platz mauert - alles andere wird sein sicherer Untergang.

Tage später trifft schließlich auch der andere Zug ein. Und was sehe ich für eine Taktik: 4-4-1 mit lauter gleich starken Feldspielern! Das ist aber nicht erlaubt (zwei Spieler in jeder Reihe).

Ich als Spielleiter muß jetzt also einen Feldspieler in den Sturm umstellen. Und zwar welchen - einen Verteidiger oder einen Mittelfeldspieler? Damit entscheide ich, welcher von beiden Vereinen aufgelöst wird - nicht mehr und nicht weniger! Und leider weiß ich das schon, bevor ich diese Entscheidung treffe ...

Mit meiner göttlichen Willkür kann ich dafür aber verhindern, daß Ärgernisse, wie z. B. der Wegfall des kompletten HV bei einem einzigen zuviel eingesetzten Heimpunkt passieren. Ich streiche einfach irgendwo einen weg.

Du kannst nicht 'irgendwo' einen WP wegstreichen, wenn die Aufstellung dadurch dann gegen eine andere Regel verstößt. Beispiel gefällig?

Meine eingereichte Aufstellung war 10-10-15-15-42 plus Heimvorteil 8, ich setze aber HV 9 in der Verteilung 1-1-7 ein, in der Hoffnung, daß Du mir aus 10-10-16-16-49 vielleicht einen Punkt nicht aus dem Sturm wegstreichst, sondern aus dem Mittelfeld, denn das illegale 10-10-16-15-49 würde ich bei meiner überragenden Hintermannschaft sicherlich lieber spielen als 10-10-16-16-48, weil mein Gegner die 3:1-Regel kennt und meinen 49. Sturm-WP nicht mehr ausmauert.

Ich halte das auch für weniger arbeitsintensiv als das Einhalten komplizierter Korrekturregeln, die man nachschlagen muß, da man sie nicht alle im Kopf behalten kann, wenn sie halbwegs vollständig sind (ich bin immer wieder überrascht, was für exotische Aufstellungsfehler man machen kann).

Ein Auswertungsprogramm könnte sehr wohl alle Korrekturregeln mühelos 'im Kopf behalten'. Das Einhalten komplizierter Korrekturregeln ist für den GM tatsächlich störend, solange er das selber machen muß; UNITED/XY nimmt ihm da schon eine Menge Arbeit ab.

Außerdem ist Oberfoul (bzw. inzwischen eher AUFSTIEG) in gewissem Sinne eine Dokumentation von UNITED/XY; das bedeutet, daß solche Fehler nicht nur behoben, sondern für den unwissenden Manager auch in den Regeln beschrieben werden, so daß sie in vielen Fällen als Beispiele dienen und den sonstigen Regeltext erläutern können. Gefahr erkannt - Gefahr gebannt? Jedenfalls weiß der Leser der AUFSTIEG-Regeln, was man alles nicht tun sollte bzw. was passieren wird, wenn man es doch tut.

Ich kann jeden GM verstehen, dem dies ohne Programm zu viel Arbeit wäre - aber dann gäbe es da eben noch diese Alternative ...

Zwei Einwände gegen meine Meinung:

  1. Der Manager muß sich auf ein bestimmtes Verfahren verlassen können.
    Entgegnung: Unsinn. Der patzende Manager soll sich freuen, daß ich versuche, seinen Aufstellungsgedanken sp weit wie möglich zu erhalten, was eine statistische Regel niemals so gut kann. Der Gegner muß doch Umstellungen durch fehlerhafte Züge nicht im Voraus berechnen können. Was bleibt vom Einwand übrig? Nix!

    Der Gegner des patzenden Managers muß sich auf ein definiertes Verfahren verlassen können! Der will nämlich nicht, daß Du den kaputten Zug seines Gegenüber besser reparierst als notwendig. Ich will nicht gegen den Spielleiter spielen müssen, wenn mein Gegner versagt (oder gar einen NMR verbrochen) hat.

    Natürlich muß ich nicht vorher wissen, daß Du als GM die 3:1-Regel besser ausnutzen wirst, als mein Gegner das getan hätte - es sei denn, ich weiß, daß mein Gegner das normalerweise nicht kann, und versuche deshalb, ihn in einer niedrigeren Höhe auszumauern, weshalb die Du mit Deiner reparierten Aufstellung mich dann genau plattschießen kannst.

  2. Eine feste Regel ist programmierbar.
    Entgegnung: Gut. Aber kann Euer Programm wirklich jeden subversigen Fehler selbst korrigieren? (Rechenfehler, Verletzung der 3:1-Regel durch Vergessen des Punktabzugs durch Umstellung, Erhöhung des Tortwart bzw. Ausputzers durch 1 WP/Stufe, womöglich durch ungerade Härtezahl usw.) Nein? Dann müßt Ihr sowieso Zugkorrektur vor der Eingabe machen. Oder führt das Programm etwa dazu, daß man sich mehr darauf verläßt, daß sowieso jeder Fehler gefunden wird?

    Aber ja doch - UNITED/XY soll wirklich ein Hilfsmittel sein, das jeden Fehler automatisch erkennt und korrigiert. Ich sage bewußt "soll", weil das Programm zwar alle von Dir genannten Fehler erkennt und darauf reagiert, andere Fehler dagegen (derzeit noch) toleriert, weil ich nicht der Meinung bin, ein allgemein gültiges Verfahren zur Behebung gefunden zu haben. (Was bedeutet, daß ich auch als 'manueller GM' ratlos wäre, was zu tun ist!)

    Als Erläuterung ein paar Beispiele:

    • Rechenfehler: interessieren mich nicht; das Programm rechnet Reihengesamtwertungen usw. anhand der gespeicherten Spielerdaten selbst aus. Reihengesamtwertungen auf einem Zugzettel dienen dem Manager zur Rechenhilfe und dem GM dazu, die Korrektheit seiner Eingabe mit einem Blick testen zu können - das Programm braucht sie nicht. Wenn dort irgendwas verkehrt ist, merke ich das automatisch nach dem Eintippen der Aufstellung, weil das Programm mir ein anderes Ergebnis berechnet, als auf dem Zettel steht - Auswirkungen hat das aber keine.
    • 3:1-Regel: Überziehung bewirkt automatische Reduzierung der zu starken Reihe(-n). Das Programm gibt an diesen beiden Stellen (vor bzw. nach Zuteilung der Sonderpunkte) im Fehlerfalle eine Warnung aus; danach muß der GM seine Eingabe bestätigen (er könnte sich ja vertippt und den Fehler dadurch selbst ausgelöst haben). Will der GM die Eingabe nicht korrigieren, dann wird die automatische 3:1-Reduzierung durchgeführt - an der kommt man mit einem Profi-Verein nicht vorbei.
      Der Dialog für Amateure erlaubt derzeit noch die unglaublichsten Dinge wie beliebig hohe WP-Zahlen (max. 90 oder so ähnlich pro Feldreihe), Bruch der 3:1-Regel ohne Korrektur (aber mit Bestätigung) usw. Wenn wir den Pokal (der bisher vom GM manuell gesteuert wird - man pickt sich per Menü jeweils zwei beliebige Teams heraus und läßt sie mit dem Spiel-Mechanismus des Programms im geführten Dialog gegeneinander spielen) endlich komplett automatisiert ist (geplant ist, auch die Pokal-Spieltage automatisch auszulosen und abzuarbeiten), dann werden wir auch die Amateure etwas härter beschränken (in der Pokal-Datei wird dann z. B. drin stehen, wieviele WP Amateure haben, und die 3:1-Regel wird hart geprüft werden).
      Ich kann immer wieder nur sagen: Leute, standardisiert den Pokalwettbewerb in allen Ligasystemen, und ich standardisiere die Pokal-Routinen in UNITED/XY. Das Programm soll verstehen, was ihr wollt - wenn ihr das nur selber wüßtet ...
    • Härte 1 auf T/A: Bewirkt, daß der Härtepunkt für Bestrafung herangezogen wird, aber keine Verbesserung der entsprechenden Reihe. (Uralter Programmteil - das Problem war schon in Version 1.0 gelöst.) Im Zug wird vom Manager angegeben, wieviele Härtepunkte ein Team auf T/A einsetzt - was er glaubt, damit bewirkt zu haben, ist dem Programm völlig schnuppe, weil es diese Wirkung gemäß der Regeln ohnehin selbst ausrechnen muß
      HV auf T/A kann der GM übrigens gar nicht eingeben - das Programm liest nur Werte für V, M und S ein.

    Ein Fehler, der von UNITED/XY derzeit nicht behoben wird, ist ein Verstoß gegen die Verpflichtung, mindestens zwei Spieler (= Profispieler; Amateur-Spieler mit Stärke 0 gibt es hier nicht) in eine Reihe zu stellen. Eine solche Aufstellung wird derzeit nicht einmal als fehlerhaft bemängelt.
    Eine entsprechende Abfrage einzubauen ist natürlich ein Kinderspiel - solange man nicht versucht, automatisch zu erkennen, ob das denn überhaupt zu verhindern ist. Eigentlich müßte das Programm versuchen, die Menge aller regelkonformen Aufstellungen zu konstruieren. Im Normalfall werden das mehrere Aufstellungen sein (so daß der GM den normalen Aufstellungs-Dialog führen darf); es könnte allerdings genau eine Aufstellung erlaubt sein (die das Programm dem GM dann bitte sehr automatisch anbieten soll), und schließlich könnte diese Menge (bei hinreichend vielen Sperren) auch leer sein. Und in diesem Falle haben wir wiederum bestimmt, daß der Manager so gut wie möglich an eine regelkonforme Aufstellung annähern muß, also in keine Reihe mehr als 2 Spieler und ggf. einen Aufputzer ins Feld stellen. Auch das ließe sich bei normalen Spielern noch einigermaßen gut automatisieren, wenn da nicht diese Spieler wären, die man nicht umstellen darf. Das sind einerseits Talente, die noch nicht eingespielt sind, andererseits kann es in AUFSTIEG entsprechende Sonderspieler geben. Und jetzt wird die Sache so kompliziert, daß ich das Problem auf Halde gelegt und andere Dinge für wichtiger gehalten habe ... wenn mir jemand einen entsprechenden Algorithmus schickt und glaubhaft durchrechnet, daß alle möglichen Fälle damit abgedeckt werden, dann setze ich mich natürlich sofort an den Rechner und ...

Jedenfalls ist nicht einzusehen, warum man dann bestimmte Fehlerkorrekturen einer statischen (und damit immer unzulänglichen) Regel überläßt und andere nicht.

Eine statische Regel ist in meinen Augen keineswegs 'unzulänglich', sondern vielmehr 'unbestechlich' und immun gegen Bedienungsfehler des Spielleiters. Nach und nach sollte in der Tat jeder Manager-Fehler in diesen Zustand überführt werden - meldet sie mir, und ich baue sie ein.

GM-Willkür ist nie ganz auszuschließen. Und damit sind alle Regeln, auch die pedantischsten, so gut wie der GM, der sie benutzt. Und da erhalte ich mir dann lieber die Freiheit, selbst zu entscheiden, wie ich Managerpfusch bereinige.

Elf Jahre nach dem Erscheinen dieses Artikels widerlegt die Existenz von vollautomatischen Dienstleistungen wie z. B. Online-Banking im WWW diese Einstellung. Willkür ist auch bei komplexeren Mechanismen als United sehr wohl auszuschließen, und es ist zudem wesentlich effizienter, nach einem Reifeprozeß der Regelbildung alles der Maschine zu überlassen und sich nur noch darauf zu beschränken, den Regelsatz gegenüber den Wünschen der 'Kundschaft' periodisch abzugleichen.