Der Blick hinter die Kulissen

(Michael Schröpl)

Einleitung

Wer hier aufgrund des Titels einen Bericht über GMing erwartet, der liegt völlig daneben. Dem GM habe ich in diesem Heft (vor allem im Rössel-Artikel) genug auf die Finger geschaut. Nun wage ich mich an das letzte der Geheimnisse: Ich schaue dem Manager bei der Aufstellung seiner Mannschaft über die Schulter. Kommt hier also nun endlich der langersehnte Live-Bericht aus der United-Kabine?

Wieder falsch. Wo sollte es in United auch eine Kabine geben? Was es dagegen reichlich gibt, sind Zahlen - für ein Simulationsspiel nichts Ungewöhnliches. Außerdem: Wen interessiert schon die Aufstellungs-Philosophie eines einzelnen Managers (wenn es sich nicht gerade um Deinen nächsten Gegner handelt)? Na also. Nachdem Stan Dard die Geheimnisse des Trainings einer Mannschaft schon in den ersten Heften gelüftet hat, ist nun der repräsentative Durchschnittstrainer an der Reihe, statistisch erfaßt zu werden.

Datenquelle

Wo nehmen wir aber solche Zahlen her? Zwar habe ich selbst ein paar Mannschaften, aber deren Aufstellungen sind erstens nicht repräsentativ genug, zweitens werde ich den Teufel tun und meine private Taktik hier ausbreiten, und drittens war ich natürlich jahrelang zu faul, vergangene Aufstellungen mitzuschreiben. Und TEAMCHEF/XY, der einem diese Arbeit automatisch abnimmt, gibt es einfach noch nicht lange genug.

Aber für irgendwas muß es doch gut sein, wenn man selbst ein United-Ligasystem leitet und sich alle drei Wochen 6-8 Stunden um die Ohren schlägt. Die entsprechenden Züge muß man als GM ohnehin für Rückfragen archivieren; zu Saisonbeginn hefte ich in einer rituellen Handlung immer den 2 Kilo schweren, 25 cm hohen Stapel im Rundordner ab. Letzteres habe ich in dieser Saison in weiser Vorahnung nicht getan.

Also: Ein riesengroßes Blatt Papier mit Rechenkästchen zur Hand genommen, dazu einen Stift, und - was wollen wir denn eigentlich?

Aufgabenstellung

Ich hätte gerne allgemeine Aussagen über die Häufigkeit der Verwendung einzelner Aufstellungen, ggf. noch klassifiziert nach weiteren Kriterien. Was fällt mir da so alles ein? Nach Ligen sollte man unterscheiden (angeblich sind die Erstligisten ja irgendwie 'besser'), Heim- und Auswärtstaktiken sind sicher auch unterschiedlich (oder etwa nicht?!), und innerhalb der Saison könnte man einzelne Runden betrachten, um 'Modeerscheinungen' beobachten zu können.

Was eine Aufstellung ist, weiß natürlich auch niemand. Eine vage Abbildung von 10-8-29-28-10 auf 'Mauern', aber 10-8-26-30-11 auf 'Rasenschach' erscheint mir zu fehlerbehaftet. Also halte ich mich an das inzwischen bekannte Konzept, nur die Anzahl der Spieler in den einzelnen Reihen zu betrachten. Da kommt vermutlich in der Talenteinspielphase ziemlicher Unfug heraus, aber gegen Saisonende dürfte die Näherung recht gut sein. Und da wir ja nach Runden diversifizieren ...

Gesagt, getan. Eine derartige fünfdimensionale Tabelle auf das zweidimensionale Papier zu bannen ist ja eine unserer leichteren Übungen. (Mann, ist das eine öde Arbeit - da ein Strich, und da, und da...)

Die Tabelle

Und am Ende eines langen Samstagabends steht der Verfasser dieser Zeilen dann endlich vor diesem obskuren Objekt seiner Begierde, nämlich der folgenden Tabelle:

       Runde1 Runde2 Runde3 Runde4 Runde5 Runde6 Runde7 Runde8 Runde9 RundeA RundeB H1 H2 H3 A1 A2 A3 L1 L2 L3 Heim Ausw  Ges
2-2-5: 1-2-22 2-21-3 111322 534533 225214 553232 437545 333942 665622 645455 763252 42 33 40 39 31 37 81 64 77  115  107  222
2-5-2: -1-1-1 -2-2-- 452332 312-22 631322 425531 241233 535-14 22-21- 121423 345413 30 29 22 26 18 21 56 47 43   81   65  146
3-4-2: 363433 431341 332442 33-33- 32-332 221-12 422131 1321-- 3--143 22--11 11-121 29 27 11 21 28 16 50 55 27   67   55  122
4-3-2: 1--332 312314 -11-23 -11113 -1-32- 1--1-3 111311 11--11 --2--3 222121 1-1322 10  8 10 18 15 23 28 23 33   28   56   84
2-3-4: 22132- 11-13- 1121-- 1-11-- --1--- ---11- -1---1 ----2- -1---- -1--1- ------  5  7  5  7  9  1 12 16  6   17   17   34
5-2-2: 1--1-- ---1-- 1--1-- ---1-- ---11- ---231 ----1- ---111 ---21- --13-1 ---11-  2  -  1 14  8  3 16  8  4    3   25   28
3-2-4: 1-2--- 2-2--1 112--- --1111 1121-1 --1--1 ------ ------ ------ --1--- -----2  5  2 11  2  1  6  7  3 17   18    9   27
3-3-3: 22--2- --2-21 --1--1 --1--1 ------ --1--- ------ ------ ------ ------ -----1  2  2  5  -  4  4  2  6  9    9    8   17
2-4-3: 11---1 11111- 1----- ------ ------ ------ ------ 1----- ------ ------ --11--  4  2  2  2  1  1  6  3  3    8    4   12
4-2-3: ------ ----1- ------ ------ ------ ------ ------ --1--- ------ ------ ------  -  -  1  -  1  -  -  1  1    1    1    2
sonst: --2--1 -32--2 -11--2 --2--2 --2-12 --11-2 -11--1 111122 -11--- 112-11 -1211-  2  9 17  3  5 15  5 14 32   28   23   51

Großartig, nicht wahr? Man könnte sie stundenlang betrachten, ohne auch nur einen einzigen Wert zu verstehen.

Also zur Erklärung der Notation:

Zwei besondere Effekte muß ich noch erklären, bevor es in die Einzelheiten geht:

Beliebtheit von Taktiken

Nun aber zu den Werten, die in dieser Tabelle drinstecken:

Die Aufstellungen habe ich bereits nach ihrer Beliebtheit im gesamten Ligasystem sortiert:

Insgesamt machen die vier Standard-Taktiken also fast 4/5 aller Aufstellungen aus. Das ist allerdings noch weit untertrieben:

Diese vier Aufstellungen tauchen fast nur in Runde 1 und 2 auf.

Bleiben noch 5-2-2 und 4-2-3 übrig. Das verzweifelte, blinde Mauern hat zu jedem Zeitpunkt der Saison vereinzelte (4.6%) Liebhaber; 4-2-3 dagegen ist einfach völliger Schwachsinn und hält sich mit 2 von 745 Aufstellungen auch in Grenzen.

Heim- und Auswärtstaktiken

Zur Verteilung über Heim- und Auswärtsspiele: Den Stürmern ist das egal - Hauptsache, der Gegner mauert nicht. Und da der Gegner hauptsächlich auswärts mauert, wie die Zahlen deutlich belegen, kann man sich offenbar auf des Gegners Platz eine Sturmaufstellung durchaus leisten (vor allem mit solider Hintermannschaft). Stürmt der Gegner auch, dann ist er halt etwas besser; spielt er Mittelfeld, dann haben die Gäste einen kleinen Vorteil.

Mittelfeld ist dagegen besonders auf eigenem Platz beliebt; wenn man den Heimvorteil in die Verteidigung stecken kann, dann darf der Gegner zur Not auch stürmen, ohne daß gleich ein Unglück geschieht.

Das verzeifelte 5-2-2-Mauern wiederum erfolgt fast nur in Auswärtsspielen, wenn man den Heimvorteil auch noch auffangen muß.

Ober- und unterklassige Vereine

Zwischen den Ligen sind keine beeindruckenden Unterschiede zu erkennen, wenn man davon absieht, daß in der 1. Liga am heftigsten gestürmt wird (das mag mit der automatisch guten Hintermannschaft der starken Teams zusammenhängen) und in der 2. Liga B Rasenschach ein underdog-Dasein führt (wenn schon, dann gleich richtig mauern).

Ausklang

So, und jetzt ist es 1.24 Uhr - und außerdem zwei Tage nach Redaktionsschluß. Soll sich der Leser doch auch mal eigene Gedanken machen - Material hat er nun ja reichlich dafür.

Als Schlußbemerkung für GMs wäre noch zu erwähnen, daß eine solche Veröffentlichung zusammen mit detaillierten Spielkommentaren cleveren Managern eine ganze Menge Information bieten kann. Daher habe ich mir die Veröffentlichung dieser Daten von den Managern meines Ligasystems vorher genehmigen lassen (die Daten sind auch bereits in der letzten AUFSTIEG-Auswertung erschienen). Das Abstimmungsverhalten hat mich allerdings sehr beeindruckt: Eine jubelnde Zustimmung und eine mißmutige, aber tolerante Genehmigung. 34 weitere Manager äußerten sich nicht (ein weiterer inzwischen ebenfalls positiv) ...

Sollte sich irgendjemand dieselbe Arbeit machen wollen, dann würde ich die entsprechenden Daten an dieser Stelle ebenfalls gerne veröffentlichen, um einen Vergleich anstellen zu können. Außerdem muß ich im nächsten Heft meine 'jeder gegen jeden'-Tabelle nun wohl neu gewichten - demnächst also mehr ...